Kundenservice ist einfach. Solange es nicht komplex wird.
Warum KI nicht das Ende, sondern der Anfang für bessere Kundenbeziehungen ist.
Ich beschäftige mich seit mehreren Jahren intensiv mit dem Thema Kundenservice. Aus verschiedenen Blickwinkeln: als Verkäufer, Trainer, Strategieberater. Und wenn ich eins gelernt habe, dann das:
Guter Kundenservice hängt fast immer von der Beziehung zwischen zwei Menschen ab.
Klingt banal? Ist es auch. Bis es eben nicht mehr banal ist.
Nämlich dann, wenn es schwierig wird. Wenn ein Fehler passiert ist. Wenn jemand wütend, enttäuscht oder verwirrt ist. Wenn eine Situation eskaliert oder wenn es schlicht keine einfache Lösung gibt.
Dann zeigt sich, wie gut Kundenservice wirklich ist. Oder eben nicht.
Automatisierung kann viel aber nicht alles
Ich beobachte seit Jahren, wie KI-basierte Systeme in immer mehr Servicebereiche Einzug halten. Und ja: Viele davon funktionieren erstaunlich gut.
Beispiele wie der Chatbot von Cognigy oder „Einstein“ von Salesforce zeigen, wie zuverlässig und effizient KI sein kann (ob bei der Beantwortung von Standardfragen, bei der Problemerkennung oder in der Vorhersage von Kundenverhalten). Das ist stark – keine Frage.
Aber wenn wir ehrlich sind, dann betrifft das oft eben vor allem den einfachen Teil des Kundenservice. Die „Bitte senden Sie mir die Rechnung nochmal“-Fragen. Die „Wo ist mein Paket?“-Anfragen. Kurz: alles, was man mit einer gepflegten Datenbank und ein paar Regeln lösen kann.
Doch was ist mit allem, was darüber hinausgeht?
Was KI (noch) nicht kann und vermutlich auch nicht können sollte
Was KI nicht gut kann (und das sage ich nicht aus Trotz, sondern aus nüchterner Erfahrung) ist: Beziehung.
KI kann nicht spüren, ob jemand am anderen Ende gerade einfach nur einen schlechten Tag hat.
KI kann nicht zwischen den Zeilen lesen.
KI kann nicht erkennen, dass ein „Problem“ in Wirklichkeit ein emotionales Bedürfnis ist.
Und sie kann vor allem eines nicht: eine beschädigte Beziehung reparieren.
Zwischen Frust und Überforderung: Die Realität im Kundenservice
Wer schon mal im Kundenservice gearbeitet hat (und sei es nur ein paar Wochen) weiß, wie kräftezehrend das sein kann.
Viele Anfragen sind eigentlich keine Servicefälle, sondern Symptome eines anderen Problems:
eine schlecht geschriebene Anleitung
ein missverständliches Produktversprechen
ein Beratungsfehler im Verkauf
eine technische Schwäche im System
Die Folge: Mitarbeitende sitzen da, müssen reparieren, was an anderer Stelle nicht funktioniert hat – und sind irgendwann nur noch am Abarbeiten.
Für echte Kundenbeziehungen bleibt da wenig Raum. Kein Wunder, dass viele Kund:innen den Service als unzureichend erleben – obwohl die Mitarbeitenden ihr Bestes geben.
Und jetzt kommt die KI ins Spiel. Aber anders, als viele denken
Wenn wir KI nur als Sparmaßnahme verstehen, als Wegfall von Jobs, als „die macht das jetzt alles besser“, dann verlieren wir.
Wenn wir KI aber als Entlastung sehen, als Werkzeug, das uns den Rücken freihält, damit wir uns auf die wirklich menschlichen Themen konzentrieren können, dann entsteht echter Mehrwert. Für Unternehmen. Für Kund:innen. Und nicht zuletzt für Mitarbeitende.
Ich sehe in dieser Entwicklung eine riesige Chance.
Nicht weniger Menschen im Service, sondern bessere Bedingungen für Menschen im Service.
L&D ist der Schlüssel zur Mensch-KI-Kollaboration
Damit diese Chance real wird, braucht es allerdings mehr als ein paar neue Tools. Es braucht Lernprozesse. Es braucht Veränderungsbegleitung. Es braucht Mut zur Weiterentwicklung.
Konkret heißt das:
Sicherer Umgang mit neuen Tools
Mitarbeitende dürfen keine Angst haben, mit KI zu arbeiten. Sie müssen verstehen, was sie tut – und was nicht. Und sie müssen wissen, wie sie die Technologie für sich nutzen können.Fokus auf Soft Skills
Kommunikation, Empathie, Zuhören, Deeskalation – das sind die neuen Kernkompetenzen im Kundenservice. Wer das nicht trainiert, wird abgehängt. Nicht von der KI, sondern von den Erwartungen der Kund:innen.Eine Lernkultur, die trägt
Wer morgen relevant sein will, muss heute lernen. Und übermorgen wieder. Lebenslanges Lernen darf keine Floskel sein, sondern muss Teil des Arbeitsalltags werden. Strukturell und kulturell.Klare Leitlinien für den KI-Einsatz
Datenschutz, Transparenz, Ethik, all das sind keine „nice to haves“. Sie sind Grundlage für Vertrauen. Intern wie extern.
Mein Fazit: Wir brauchen nicht weniger Mensch, sondern mehr.
Die Zukunft des Kundenservice ist hybrid.
Automatisierung dort, wo es effizient ist.
Menschliche Beziehung dort, wo sie unverzichtbar ist.
L&D ist die Brücke dazwischen.
Und unsere Aufgabe ist es, diese Brücke stabil, sicher und offen für alle zu gestalten.